"Stärke bedeutet auch zu wissen, dass man nicht immer stark sein kann."
- Julia Binder
- 23. Okt. 2022
- 3 Min. Lesezeit
❓Kennt ihr das...? So eine innere Stimme, die flüstert (oder auch laut ruft): "Sei/Bleib stark!"
... vor allem in Momenten, wo euch intuitiv vielleicht so gar nicht nach "stark sein" ist...
Ich kenn' sie sehr gut, diese Stimme 🎤 ... und oft ist sie mir eine gute Freundin, ein Motivator, ein Lebenserhaltungsmechanismus. Manchmal aber möchte mich diese Stimme zum Stark-sein ermuntern, obgleich mir gar nicht danach ist. Es ist nämlich ganz schön anstrengend 😰, immer stark zu sein bzw. immer stark sein zu wollen. Und wenn wir genau hinhören, hinspüren, ganz mit uns in Verbindung gehen, nehmen wir vielleicht auch wahr, wenn "es uns einfach mal zu viel ist", wenn es uns weniger gut geht, wenn wir traurig sind und uns vielleicht sogar in manchen Momenten hilflos fühlen... und auch das darf sein!
Sind wir ganz ehrlich zu uns selbst, läuft einfach nicht immer alles rund. Manchmal macht sich Verzweiflung, Wut oder sonst ein "negatives Gefühl" breit, das es wertzuschätzen gilt, da es uns auf einen inneren Schmerz, der geheilt werden will, aufmerksam macht. Wir können solche Gefühle zwar eine Zeit lang "weg-ignorieren", doch irgendwann - wenn wir nicht komplett gefühlskalt werden - holen sie uns ein, überrollen uns vielleicht sogar... und dann ist es viel aufwändiger gut mit ihnen umzugehen, als wenn wir uns schon früher mit unseren "Schwächen" auseinandersetzen.
In unsere Interaktion mit der "Außenwelt" kommt dann noch dazu, dass die "Starken" 💪🏻 so wirken, als würden sie nie Unterstützung - in welcher Form auch immer benötigen. Stimmt nicht - macht nur den Eindruck. Bzw. denken vermutlich viele "Starke", sie bräuchten nie Hilfe, da sie "eh alles alleine hinkriegen" - ja... kenn ich... anstrengend auf Dauer! Es geht mir hier allerdings nicht nur um den großen Energieaufwand/-verlust, um Lasten, die alleine getragen anstatt auf mehreren Schultern verteilt werden, sondern auch um die Konsequenzen, die ein solches Verhalten auf menschliche Beziehungen hat.
❓Wie viele und vor allem auch tiefe Beziehungen hat wohl ein "starker" Mensch, der immer alles alleine schaffen will?
🤔 Vielleicht hat er einige... doch sind diese auch im Gleichgewicht? So "starke" Menschen haben oft Retterdynamiken in sich und haben viele "weniger Starke" in ihrem nahen Umfeld, um die sie sich kümmern bzw. für die sie "mit-stark" sein können. So ein Verhalten erhebt sie natürlich innerlich, macht sie quasi noch stärker, da ja "alle auf ihre Stärke angewiesen sind", "es alleine nicht hinkriegen".
💡Ihr könnt vermutlich schon an meiner Schreibweise erkennen, dass durch das "andere stärken" fast wie von selbst auch ein Urteil in den "Starken" entsteht und auch eine self-fulfilling prophecy: Denn "wenn die anderen es nicht alleine schaffen" (= "schwach"), kann ich ja gar nicht anders als stark zu sein. (... denn die "Schwachen" können mir ja eh nicht helfen). Und somit bleiben die "Ich muss stark sein/bleiben"-Menschen in ihren Mustern "gefangen" und bestätigen sich jeden Tag aufs Neue, dass es "eh nicht anders geht".
❓Wie es wohl den "bedürftigen" Freunden wohl damit geht, wenn andere sie für "schwach" halten?
⚠️ Also mir würde es nicht gut gehen, wenn meine Freund:innen mich für schwach und bedürftig hielten. Also in manchen Lebenslagen: Ja, definitiv. - Immer? Nein! ... Vor allem schafft so ein Denken und eine Opfer-Retter-Dynamik in Freund- und auch Partnerschaften ein großes Ungleichgewicht, das auf Dauer recht schwer ausgleichbar ist und dann zu Problemen führt. Will meinen: Wenn eine Partei immer nur gibt und die andere immer nur nimmt, fühlt sich der:die Gebende irgendwann ausgenutzt oder ausgelaugt und der:die Nehmende irgendwann schuldig oder "unbrauchbar", da es von der gebenden Seite nie ein "Opening" gibt, um zurückzugeben.
💡Mein NLP-Ausbildner hat öfter mal gesagt, dass es in einer Partnerschaft darum geht, aneinander zu wachsen - insofern, dass es bei der Geben-Nehmen-Dynamik nicht um 🐮 Kuhhandel/Tauschgeschäft geht, sondern dass ein gemeinsames Wachstum nur möglich ist, wenn beide immer ein bisschen mehr geben als sie genommen haben, wodurch "der Kuchen gesamt immer größer wird" 🍰
...
⭐️ Es dient also nicht nur der Selbstfürsorge, sondern auch unseren sozialen Beziehungen, wenn wir uns "mal helfen lassen", wenn andere einmal für uns "stark sein" dürfen.
Je nachdem, wen du fragst, klingt das sehr einfach oder gar unmöglich. Ich persönlich komme ursprünglich von der "gar-unmöglich-Ecke" und lerne selbst noch, mich und meine "Schwäche(n)" anderen anzuvertrauen, sie für mich da sein und sorgen zu lassen. Fällt mir nicht immer leicht und gleichzeitig merke ich, dass meine Liebsten doch mehr imstande sind zu tragen als ich ihnen vielleicht zugetraut hätte und dass es mir gut tut, mal schwach zu sein, mich halten und/oder auffangen zu lassen, meine Batterien wiederaufzuladen...
❓Wäre es nicht schön, wenn mal andere statt/für uns stark sein könnten?
❓Wäre es nicht befreiend, ein wenig Last abzugeben?
❓Wie gut würde es dir tun, dich einfach mal fallen zu lassen?
"Stärke bedeutet auch zu wissen, dass man nicht immer stark sein kann."
... bzw. dass es uns auch nicht dient, immer stark sein zu wollen 😉
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